Wieder zu Besuch in der Rumbrennerei von Calheta

von Mo

Neun Jahre nach meinem ersten Besuch auf Madeira in 2013 wollte ich in 2022 einmal sehen, was aus der Rumbrennerei „Engenhos de Calheta“ geworden ist. Der Rum ist teurer geworden, wie auch sonst fast alles. Aber war sonst noch was?


Was gibt’s Neues?

Ja da war was. Während sie 2013 noch den Eindruck erwecken wollten, ein richtiges Museum zu haben, so gibt es heute lediglich einen kleinen Raum mit Industrieresten, an denen Schautafeln kleben. Quasi so, wie wenn man durch eine gläserne Drehtür geht, sagen wir mal wie bei IKEA, und das Museum aus dem Teil besteht, wo man mitgeteilt bekommt, wo die Regenschirme hinkommen und welche Tagesgerichte die Kantine heute bietet. Und die Laubhütte aus Zuckerrohrblättern steht noch. Hier gibt es einige Bilder vom Pressen des Zuckerrohrs.

Um ehrlich zu sein hat sich nicht viel geändert. Irgendein Firmenchef ist 2019 gestorben. Es wurde wieder einmal ein riesiger Gewürzkuchen gebacken. Sicherheitshalber steht dran, wann das war, nämlich diesen Herbst. Und ansonsten gibt es immer noch den weißen Rum bzw. Aguardente zu kaufen für’n Appel und ’n Ei. Oder die im Fass gereiften Exemplare für unwesentlich mehr Geld. Ich fragte die Verkäuferin zum Thema Unterschied zwischen Rum und Aguardente und erhielt die Auskunft: „There is no difference between rum and aguardente“. Da ham wa’s. So ganz richtig ist das natürlich nicht, siehe weiter unten.

Rum Agricola ohne AOC

Dit is ne Joldgrube, wie der Berliner sagen würde. Selbst die Kariben (bzw. das französische Mutterland) haben begriffen, dass ihr weißer Rum unter dem AOC-Label „Rhum Agricole“ weit bessere Preise erzielt. Die Madeirensen haben so ein Produkt auch, nur dummerweise kein Label. Sie nennen ihn aber genauso: Rum Agricola. Den erhält man in Deutschland über diverse Onlineshops. Sechs Jahre alt für um die 30 Euro oder weiß und frisch für 20 Euro (z.B. von der Marke Zarco). Da bekommt man noch was für seine Euronen, denn die karibischen AOC-Rums sind etwa ein Drittel teurer. Und wer weiß, wann der nächste Rum-Hype beginnt? Die wilden 20er fangen ja gerade erst an.

Außerdem war die charmante Verkäuferin noch so nett, mir draußen auf der Dachterrasse einige Plantagen mit Zuckerrohrpflanzen zu zeigen. Da wächst doch tatsächlich ausnahmsweise mal keine Banane, sondern Zuckerrohr gleich auf den Terrassen oberhalb der Brennerei! Die Ernte ist im März und dann wird aus dem gepressten Saft eben der Aguardente. Und auch sämtliche anderen Produkte, die sie bei Engenhos de Calheta herstellen. Beispielsweise der Zuckerrohrsirup, der auch im Gewürzkuchen verwendet wird. Oder sämtliche aromatisierten Liköre und Ponchas (siehe mein Beitrag zu Likören). Ich hätte ja gedacht, dass Zuckerrohr auf Madeira rund ums Jahr geerntet wird und es kontinuierlich Nachschub gibt. Aber dem ist wohl nicht so.

„Up Spirits“ Dank Bootspfeife

Fun fact: draußen gibt es eine Infotafel, auf welcher der Untergang eines Dampfschiffs an der westlichen Küste von Madeira beschrieben wird. Wegen Nebel ist es damals auf einen der vielen Felsen aufgelaufen. Alle Besatzungsmitglieder konnten gerettet werden und das Wrack wurde ein Stück weit hinausgezogen und versenkt. Heute ist es ein beliebter Ort für Taucher. Um wieder die Kurve zur Rumbrennerei zu kriegen: damals haben sie sich die Bootspfeife des Dampfers unter den Nagel gerissen, die früher an Bord das Signal zur Ausgabe der täglichen Ration Rum gab. Heute dient sie in der Brennerei dazu, den Beginn einer Schicht anzuzeigen! Das passt schon irgendwie, denn das Saufen, der Rum und die Navy, das gehört untrennbar verbunden. Auch bei Skippern im Amateurbereich soll es hier ja Schnittmengen geben. Weiterhin hängt die Schiffsglocke in der Kirche direkt neben der Brennerei. Mei, wenn das nicht gottgewollt ist, dann weiß ich auch nicht. Cheers und up spirits, auf unsere Frauen und Geliebten (auf dass sie sich niemals treffen mögen!).

Ist Aguardente wirklich Rum?

Das mit dem Aguardente lässt mir irgendwie keine Ruhe. Ist es jetzt ein Rum, ein Grappa, ein x-beliebiger Brand, ein Cognac oder was? Um hier etwas Licht ins Dunkel zu bringen, muss man sich zunächst einmal Gedanken um sämtliche Bezeichnungen machen, die eine lokale Herkunft andeuten oder eine bestimmte Herstellungsweise beschreiben. Diese Namen scheiden schonmal alle aus. Also auch Cognac und Grappa. Wikipedia ist bei der Definition recht herzlos und behauptet, jeder Schnaps zwischen 40 und 45 Volumenprozent wäre ein Aguardente. Die englische Wikipedia ist hier noch deutlich großzügiger und zieht die Grenze sogar zwischen 29 und 60 Volumenprozent, was bis auf Brennspiritus so ziemlich jeden Schnaps abdeckt, der irgendwo gebrannt wird. Wörtlich übersetzt heißt Aguardente eigentlich nur „gebranntes Wasser“ oder „Feuerwasser“. Damit ist klar, wo der Pfeffer wächst. Wir reden also vom portugiesischen Wort für Schnaps. Und so kommt es, dass der Aguardente einmal den Rum benennt, ein andermal aber einen Schnaps aus Trester. Oder eben sogar den Digestif, der im Rest der Welt als Cognac oder eben Branntwein bekannt ist. Ein bisschen wahllos sind sie ja schon, die lieben Portugiesen.

Hier geht’s zum ersten Besuch der Rumbrennerei im Jahre 2013 –>

Ab in den Einkaufswagen

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